Ohne Inkasso geht es nicht
Inkassounternehmen erfüllen zweifelsohne eine wichtige Funktion. Ausstehende Forderungen können Unternehmen in den Ruin treiben und manchmal bedarf es eines externen Dienstleisters, der diese Forderungen realisiert. Denn vielen Betrieben fehlt für das Forderungsmanagement schlicht und einfach das Personal.
Inkassogebühren sind zu hoch
Nicht in Ordnung ist es allerdings, wenn die mit der Forderungsbeitreibung beauftragten Inkassobüros sich an verschuldeten Personen unverhältnismäßig bereichern. Und zwar häufig mit Mitteln, die mehr als grenzwertig sind.
An dieser Stelle lohnt es sich genau zu beleuchten, was ein Inkasso-Unternehmen an einer Forderung, hinter der meist eine finanzielle Notlage steckt, eigentlich verdient.
Ca. 50 % aller Forderungen liegen unter 500 Euro
Nach Erhebungen des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen lagen 25 % aller im Jahre 2016 an seine 560 Mitglieder übergebenen Forderungen unter einer Grenze von 100 Euro. Weitere 19 % bewegten sich in einer Forderungshöhe zwischen 101–500 Euro. Bei einem Gesamtvolumen von über 22 Millionen Mahnungen waren es über zehn Millionen Forderungen.
Gebühren über Gebühren
Für die außergerichtliche Bearbeitung einer säumigen Forderung berechnet das Inkassobüro dem Schuldner eine so genannte 1,3 Gebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz.
Bei allen Forderungen bis 500 Euro beträgt diese Gebühr 70,20 Euro. Ohne Mehrwertsteuer.
Wer also mit einer Zahlung in Höhe von 25,00 Euro in Verzug ist, zahlt infolge der Einschaltung des Inkassounternehmens fast das Dreifache an Gebühren. Die Verzugszinsen kommen noch oben drauf.
Ratenzahlungsvereinbarung als Kostenfalle
Noch tiefer in die Tasche müssen allerdings diejenigen greifen, die den Betrag nicht auf einmal zahlen können. Was bei 25 Euro eher selten der Fall ist, kommt bei Forderungen im Bereich 300–400 Euro durchaus häufiger vor. Hier kann eine Ratenzahlungsvereinbarung sinnvoll sein, doch diese lassen sich viele Inkassounternehmen durchaus etwas kosten. Denn stimmt der häufig verzweifelte und eingeschüchterte Schuldner einer Ratenzahlung zu, kann eine so genannte 1,5 Vergleichsgebühr anfallen. Diese beträgt bei Forderungen unter 500 Euro stolze 67,50 Euro und wird in vielen Fällen ebenfalls dem Schuldner in Rechnung gestellt.
Wenn sich ein Inkassoanwalt dazugesellt
Noch schlimmer kommt es, wenn das Inkassobüro den Stab der Forderungsbeitreibung an einen kooperierenden Inkassoanwalt weitergibt. Denn auch dieser stellt dem Schuldner eine 1,3 Gebühr in Rechnung, obwohl er dies bei einer vorangegangenen Tätigkeit eines Inkassobüros nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigentlich nicht darf.
Ein Beispiel gefällig?
Erzielt der Inkassoanwalt mit dem Schuldner eine Einigung, sieht es finanziell regelmäßig wie folgt aus:
Forderung: | 250 Euro |
Inkassogebühr: | 70,20 Euro |
Anwaltsgebühr: | 70,20 Euro |
Vergleichsgebühr: | 67,50 Euro |
Summe: | 457,90 Euro |
Bei Kreation neuer Gebühren sind manche Inkassobüros erfinderisch
Verschiedene gänzlich unzulässige Gebühren, wie etwa eine „Vernunftsapellgebühr“ eine „Kontoführungsgebühr“ oder eine „Bearbeitungsgebühr“, die besonders unseriöse Dienstleister in ihre Forderungsaufstellungen hineinfantaiseren, sind hier noch nicht berücksichtigt.
Und der Gläubiger zahlt auch
Wer glaubt, das Inkassobüro finanziert sich allein aus den Gebühren, die es dem Schuldner in Rechnung stellt, der irrt sich. Bei vielen Inkasso-Unternehmen gehört eine Erfolgsprovision zu einem festen Bestandteil des Vergütungsmodells. Gelingt die Beitreibung der Forderung, so wird bei den meisten Anbietern eine Provision von durchschnittlich 10 % der Hauptforderung fällig. Bleibt die Tätigkeit des Inkassobüros ohne Erfolg, fällt bei zahlreichen Dienstleistern eine Bearbeitungspauschale an.
Was angemessen wäre
Dabei ginge es eigentlich auch ganz anders.
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, dessen Gebührentabellen sich auch die Inkassobüros bedienen, sieht für die so genannte Betreibung eines außergerichtlichen Geschäfts eine abgestufte Gebührenfolge vor, die bei einer 0,3 Gebühr anfängt.
Eine solche Gebühr kann für Schreiben einfacher Art verlangt werden, die keine schwierigen Ausführungen rechtlicher und tatsächlicher Art erfordern.
Bei einer Forderung in Höhe von 250 Euro beliefe sich bei der Anwendung einer 0,3 Gebühr die Vergütung des Inkassobüros auf 16,30 Euro. Das klingt vernünftig und fair. Wird aber von keinem einzigen bekannten Inkassobüro so praktiziert.
Hohe Kosten trotz standardisiertem Massengeschäft
Dabei sind Inkassomahnungen das Paradebeispiel für Schreiben einfacher Art. Denn das Inkassobüro prüft erst gar nicht, ob die Forderung besteht, ob der Schuldner gegen sie möglicherweise Einwände erhoben hatte oder ob sonstige rechtliche Gründe vorhanden sind, die die Beitreibung verhindern.
Schon längst ist die Inkassowirtschaft in der Digitalisierung angekommen. So brüstet sich der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen damit, dass infolge des Einsatzes geeigneter Software im Jahr bis zu 50.000 Forderungen von nur einem Vollzeitmitarbeiter erfasst werden. Bei durchschnittlich 250 Arbeitstagen wären es 200 Forderungen am Tag. Für die Erfassung einer Forderung benötigt ein Inkassomitarbeiter also ca. 2,4 Minuten.
Klar, mit der Erfassung einer Forderung ist es nicht getan. Aus der entsprechenden Anwendungsmaske muss ein standardisiertes Mahnschreiben befüllt und rausgeschickt werden. Zahlt der Schuldner nicht, kommt ein weiteres dazu. Mit der passenden Software eine Sache von weiteren 2–3 Minuten. Die vollautomatische Überwachung von Zahlungseingängen inklusive.
Wie die Eintreibung von Forderungen unter 1.000 Euro in der Praxis funktioniert, fasst der Jahresbericht 2016 des Verbandes deutscher der Inkassounternehmen recht unmissverständlich zusammen.
„Entsprechend ist die Bearbeitung je nach Forderungsgröße auch unterschiedlich organisiert. Während die Bearbeitung von »kleineren Forderungen« ein recht standardisiertes Massengeschäft ist, ist bei größeren und zum Teil sehr großen Forderungen eine differenzierte Bearbeitung erforderlich.“
Dabei sollte man anmerken, dass 87 % aller Fälle im außergerichtlichen Verfahren, das heißt unter geringstmöglich menschlichem und unter größtmöglich maschinellen Einsatz erledigt werden. Trotzdem berechnen Inkasso-Unternehmen – so der Überschuldungsreport des Instituts für Finanzdienstleistungen – Jahr zu Jahr mehr Gebühren.
Widerstand lohnt sich
Diese endlose Kostenvermehrung darf nicht aus Angst vor weiteren Kosten hingenommen werden. Gerade Schuldner die bei einer verhältnismäßig geringen Forderung mit unverhältnismäßig hohen Gebühren konfrontiert werden, sollten nicht anstandslos zahlen. Denn es gibt zahlreiche Wege, um unrechtmäßige Gebühren abzuwehren. Der beste Weg ist, sich in die Hände von Profis zu begeben, die mit den Tricks und dem Rechen-Hokuspokus der Inkassowirtschaft vertraut sind und wissen, ob überhaupt und wenn ja wieviel Geld einem Inkassobüro für seine Arbeit tatsächlich zusteht.
Nichts stört die gut geölte Inkasso-Maschine so sehr wie professioneller Widerstand.